Entstehung und Werdegang der Kirchenbefestigungen ist naturgemäß mit den bewegten Ereignissen
auf dem Boden Siebenbürgens verbunden: vom Mongolensturm 1241/42 über die zahlreichen Türkeneinfälle seit 1395 bis zur verheerenden Niederlage des ungarischen Heeres in der Schlacht bei Mohács 1526. Die geographische Dichte und vor allem die große Zahl von über 150 bis heute erhaltenen Anlagen kann jedoch als einzigartiges Phänomen nur vor dem Hintergrund der besonderen geschichtlichen, rechtlichen, kirchlichen und sozialen Bedingungen ihrer Erbauer, der Siebenbürger Sachsen, verstanden werden.
Es mag dahingestellt bleiben, ob die ersten Kirchenbefestigungen in den deutschen Siedlungen bereits vor dem Mongolensturm von 1241/42 entstanden sind, wie verschiedentlich angenommen wurde. Aus der alten Heimat brachten die Siedler die Gewohnheit mit, dass es besser sei, bei kriegerischen Auseinandersetzungen das Dorf preiszugeben und in einer leicht zu erreichenden Befestigung Leben und Habe zu retten.
Nahezu alle Sakralbauten der Ansiedlungszeit erhielten massive Türme über dem Westjoch des Mittelschiffs, die mit Wehrgang und Schießscharten ausgestattet waren, während der Kirchhof mit einem Mauerring, Graben und Torturm befestigt wurde.
Ehedem vom Vorbild der mittelalterlichen Burg geprägt, wurde nun die bereits hochentwickelte Befestigungskunst der Städte auf die Kirchenburgen übertragen: Die Wehrmauern wurden überhöht, mit überdachten Wehrgängen ausgestattet und einer Reihe von Wehrtürmen verstärkt, das Tor mit zusätzlichen Befestigungsanlagen geschützt. Oft wurde ein zweiter oder auch ein dritter Mauerring errichtet.
Die Kirchen selbst, nach Zerstörungen wiederaufgebaut, repariert oder später erneuert oder erweitert, sind jenseits ihrer Befestigungswerke allesamt bedeutende Zeugnisse der mitteleuropäischen, von süddeutschen, böhmischen, österreichischen Einflüssen geprägten Bau- und Kunstgeschichte des Siebenbürgischen Mittelalters, von der Spätromanik bis zur Spätgotik. Ihre wertvolle, teils vorreformatorische Ausstattung vermittelt einen repräsentativen Querschnitt des intensiven kulturellen und kirchlichen, seit Mitte des 16. Jahrhunderts von der Reformation geprägten Lebens der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinden.
Mit der Kirchenburg in ihrer Mitte bilden die siebenbürgisch-sächsischen Dörfer in sich geschlossene Denkmalensembles von großem kulturgeschichtlichem Wert, da sie die ursprüngliche Siedlungsstruktur und ihre Einbettung in die Landschaft sowie die bauliche Entwicklung im Verlauf der Jahrhunderte anschaulich erlebbar machen.
Text: Martin Rill